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Die Quirinusverehrung in Perl 

Quirinus auf der Kuppel des Quirinusmünsters Neuss

Die Quirinusverehrung und damit auch der Quirinusritt haben ihren Ursprung in der über 960-jährigen Quirinusgeschichte, die in Perl im Jahre 1050 begann.

Wenn man die Geschichte studiert bemerkt man, dass es mit der »Quirinus-Geschichte« in Perl mal »auf« mal »ab« ging, je nachdem welcher Pfarrer, Meier und später Bürgermeister sich damit auseinander setzte.   

Seit dem Jahre 1200 bis in die heutige Zeit sind 34 Pfarrer der Pfarrei Perl namentlich (mit einigen Lücken) aufgelistet, angeführt von Pfarrer Mehrfrid (1200) bis zum heutigen Pfarrer Uwe Janssen.

Vor dem Quirinuskult, der überwiegend in festen Gotteshäusern stattfand, gab es die Verehrung der Götter in der freien Natur und Landschaft. 

Da sie die Sorge um Fruchtbarkeit in Feld und Wiese, Hütte und Stall das religiöse Leben der einfachen Menschen beeinflussten, beachteten sie auch die befruchtende Kraft des Wassers. 

Schon zur Zeit der Kelten sprudelte an der »Zuckerknupp«, einem Hügel an der Stelle, an der heute die Quirinuskapelle steht, eine Quelle. Sie hatte für die Menschen in unserer Region etwas Geheimnisvolles: Sie glaubten, gute und böse Dämonen seien hier am Wirken. Die Perler Quelle zählte zu den ältesten Quellen der Region, deren Lage schon seit Urzeiten bezeichnet war und wo Menschen opferten und Hilfe erflehten.   

Sie schrieben der Quelle überirdische Kräfte zu und verehrten unter anderem den stiergewaltigen Wassergott »Garanus«, den sich die Kelten als Heidgott mit drei Köpfen vorstellten. Er stand besonders bei den Treveren (einem Stamm der Kelten) in hohem Ansehen. 

Quirinuskapelle

Noch heute gibt es in 30 Kilometern Entfernung den »Greinsbour« im Petrussetal bei der Stadt Luxemburg. In Anlehnung an den Gott Garanus, nannte man ihn den »Heiligen Grein«. 

Bis 1666 war der Hl. Quirinus Stadtpatron der Hauptstadt Luxemburg.

1050 schenkte Papst Leo der IX. seiner Schwester Gepa, die Äbtissin am Frauenstift der Benediktinerinnen in  Neuss war, die Reliquie des Soldatenheiligen Quirinus.

Die Translations-Route (von translatio → Überführung) führte von Rom aus über Frankreich, dem Elsass, dem späteren St. Quirin, Perl und Trier nach Neuss am Rhein. 

An der Perler Quelle sollte eine Tagesrast eingelegt werden. Durch die Vorauskunde informiert, pilgerten die Gläubigen in Scharen nach Perl zur Quelle. In späteren Jahren wurde die Quelle in einen Brunnen gefasst und dem Hl. Quirinus, dem Hl. Firmin*  und dem Hl. Ferreol* geweiht.     

* Hl. Firmin: * ca. 272 in Pamplona, Spanien; † ca. 303 in Amiens, Frankreich) war im 3. Jahrhundert der erste Bischof von Amiens. Er starb als Märtyrer und wird als Heiliger verehrt. Während der diokletianischen Verfolgung sei er in Amiens enthauptet worden. Zu Ehren von ›San Fermin‹ findet jedes Jahr vom 6. bis zum 14. Juli in Pamplona das Stadtfest Sanfermines statt, zu der – aufgrund seiner Enthauptung – alle Teilnehmer der Fiesta ein rotes Halstuch tragen. Im Mittelpunkt der Fiesta steht der seit über 400 Jahren bekannte ›Encierro‹, der Stierlauf in Pamplona.

* Hl. Ferreol: Ferreolus von Vienne, franz. Saint Ferréol de Vienne († um 305 bei Vienne) war ein römischer Militärtribun und christlicher Märtyrer, der von der katholischen Kirche als Heiliger verehrt wird. Über das Leben des Ferreolus ist nahezu nichts bekannt. Er soll im römischen Heer als Tribun in Vienne gedient haben und dort als überzeugter Christ um 305 den Märtyrertod infolge der Christenverfolgung des Diokletian erlitten haben. Nach einer anderen Legende starb Ferreolus am Galgen, da er einen zum Tode durch Hängen Verurteilten rettete, indem er sich selbst dafür anbot. 

Katharina, Hubertus und Quirinus, nach 1435, Alte Pinakothek in München

Schon im frühen Mittelalter hatten Priester und Historiker sich mit der Quirinusgeschichte beschäftigt und sie in Schriften und Kirchenbüchern festgehalten, so z.B. Mathias Zender aus Bonn, der Kataster-Beamte Hans Pinter und der Lehrer Willi Griesbach,  beide aus Perl.   

Im ›Calendarium ecclesiae St. Simonis‹ zu Trier ist Ende des 11. Jhdt vermerkt: »...dass am 30. April 1050 in Perl an der Quelle des Hl.  Quirinus eine Tagesrast statt fand.«  

Seit diesem Tag  bis zum Ende des 16. Jhdt. wurde Quirinus als Soldatenheiligen und Schutzpatron der  Pferde vom gläubigen Volk sehr verehrt. 

Laut dem Bonner Quirinus-Forscher Matthias Zender sind zwischen 1475 u. 1525 ca. 50 Kultstätten entstanden. Insgesamt sind derzeit ca. 70 Orte mit Quirinusverehrung bekannt.   

Zu den wichtigsten gehören Neuss, Millen, Perl, und St. Quirin im Elsass. In Belgien sind derzeit 28, in Luxemburg 8 Orte mit Bezug zu Quirinus bekannt. 

Von 1220 bis zum Ende des 18. Jhdt. hatte Perl und die Region bis weit ins Lothringer Land hinein eine herausragende und bedeutende Stellung. 

Damals war Perl das geistige Zentrum und der Sitz der freien Domkapitularischen Herrschaft, die reichsunmittelbar war, also nur dem Kaiser des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation, unterstand.   

Ober- und Schutzherr der Herrschaft des »Freihofes« zu Perl war sowohl in geistlicher, als auch in weltlicher Beziehung, der Erzbischof von Trier. Die freie Herrschaft in Perl besaß die »Hohe-«, die  »Mittlere-« – und die »Niedere« Gerichtsbarkeit. So unterhielt Perl ein Hochgericht, ein Gefängnis, einen Pranger, einen Galgen, ein Hofhaus, Zehnthäuser, sowie Frucht und Ölmühlen. 

Quirinus-Schrein in Neuss

Ein Visitations-Protokoll von 1569 gibt Auskunft über den großen Umfang der Pfarrei Perl. Sie bestand aus insgesamt acht Orten und wurde von Pfarrer Balthasar Nering (1569 - 1577) geleitet, welchem ein Kaplan für die Filialen der Pfarrei zur Seite stand. Den Kaplan musste der Pfarrer von seinem Einkommen besolden. 

Die freie, reichsunmittelbare Herrschaft des Trierer Domkapitels bestand bis zum 10. Februar 1792. An diesem Tage rückten die französischen Revolutionssoldaten in Perl ein und machten der alten Herrschaft ein Ende.     

Einen richtigen Quirinuskult erlebte Perl im 17.und 18. Jahrhundert. Pfarrer und Definitor Matthias Bieringer, der aus Oberperl stammte, übernahm 1680 die Pfarrei St. Gervasius & Protasius in Perl, welche er bis 1720 leitete.   

Unbegrenzt war sein Vertrauen und seine Verehrung zum Hl. Quirinus. In einer schriftlichen Überlieferung heißt es: »Jedes Jahr zum Ehrentag des Hl. Quirinus am 30.04. kamen so viele gläubige Pilger nach Perl, dass die Pfarrkirche viel zu klein war, um alle Pilger aufzunehmen.«   

Am 1. August 1712 wurde der Grundstein der neuen Wallfahrtskapelle unter Beistand von Pastor Tutschen aus Remerschen (Lux), des Definitor und Pfarrers M. Bieringer, sowie dem Maurermeister Christian Pauly aus Oberperl gesetzt und darauf eine neue Kapelle errichtet. Die Kapelle wurde dem Hl.  Quirinus geweiht. 

Noch heute ist sie ein Wahrzeichen von Perl.   

›Palais von Nell‹ mit der ›Quirinuskapelle‹
Eine erste Quirinuskapelle entstand im 17. Jahrhundert an ihrem heutigen Standort an der »Zuckerknupp«, einem keltischen Brunnenheiligtum. Diese Kapelle wurde jedoch noch im selben Jahrhundert durch Kriegshandlungen zerstört. 
1712 erfolgte dann der Neubau der heutigen Kapelle. Sie wurde bald zur Wallfahrtsstätte für die ganze Region. Die Quirinus-Kapelle erhielt am 24. April 1714 eine Glocke. Bei der feierlichen Glockenweihe übernahmen Dominikus Matthias Charden aus Sierck (F), Capitain der Leibgarde des Herzogs von Lothringen und Hüttenherr unseres Nachbarortes Apach, sowie seine Gemahlin Sophia geb. Arion die Patenschaft. Sie ließen auch in der Quirinuskapelle ihre Tochter durch Pfarrer Bieringer taufen. 

Im Kirchenarchiv der Pfarrei Perl sind drei Heilungen erwähnt, welche Pfarrer Bieringer der Fürbitten des Hl. Quirinus zuschrieb und welche »anno 1705, am 14. novembris 1706 und am 9. Oktober 1712 ausführlich in Niederschriften dargestellt sind«.   

Pilgerzüge aus Luxemburg, Belgien, Lothringen, und dem Trierer Land kamen nach Perl um den Hl. Quirinus im Gebet anzuflehen. 

Im Volksmund nannte man den Pilgerhaupttag, den 30. April »de Pirler Dag«. 

Es entstand ein Großvieh- und Jahrmarkt. Dazu gesellten sich Kirmesleute, Aussteller und Spielleute, sodass man die Perler Kirmes, vom Patronatstag am 19. Juni auf den 30. April verlegte.   

Als Anfang der 1900er Jahre der 1. Mai als Tag der Arbeit eingeführt und zum Feiertag erklärt wurde, legte man die Kirmes auf diesen Tag, was noch heute Bestand hat.  Pfarrer und Definitor Matthias Bieringer stiftete sein ganzes Vermögen zum Erhalt der Quirinuskapelle. In seinem 1719 verfassten Testament, welches im Bistums-Archiv in Trier hinterlegt ist, bat er die Pfarrgemeinde, stets für die Kapelle Sorge zu tragen. Pfarrer Bieringer starb 1724.

Aus Dankbarkeit und Erinnerung wurde 1727 ein besonderer Grabstein angefertigt, den man 1928 bei der Ausgrabung zur Erweiterung der Pfarrkirche fand. Er wurde 1973 an der Pfarrgartenmauer im Gedenken an den beliebten Pfarrer aufgestellt.  

Der Zuspruch der Quirinusverehrung in Perl bereitete dem Trierer Bischof viel Unbehagen. Argwöhnisch beobachtete er die Zunahme der Verehrung und bekämpfte sie schließlich gegenüber dem damaligen Ortspfarrer von Perl, Pfarrer Johann Peter Herber (1884 - 1901).   

Im Zuge der Säkularisation nach der Französischen Revolution gehörte die Kapelle seit 1803 der Familie von Nell. Die Familie war ebenfalls Eigentümer des Palais und des Hofgutes.   

Nach und nach nahmen die Wallfahrten ab und gerieten durch die Kriege immer mehr in Vergessenheit. 

Erhalten blieben trotz zweier Weltkriege die Kapelle und der Brunnen des Heiligen Quirinus. Ebenso wurde der 30. April, bzw. der 1.Mai als Perler Kirmes beibehalten.   

1936 wurde die Kapelle von der Familie »von Nell« durch einen Schenkungsakt der Kirchengemeinde zurück übertragen.   

Darstellung der ›Kölner Marschälle‹, des hl. Antonius und des hl. Quirinus, Foto: GFreihalter CC BY-SA

Trotz der zwei tobenden Weltkriege in unserer Region blieben die 3 Dörfer Perl, Oberperl und Sehndorf, vom Krieg bis auf wenige Ausnahmen verschont. Für viele sah es so aus, als hätte der Hl. Quirinus seine schützende Hand über unsere Heimat gehalten.

Das war auch die Aussage in einer Predigt von Pfarrer Dr. Leo Sudbrack anlässlich der 1949 erfolgten Renovierung die Kapelle. 

1950 wurde die Kapelle auch als Krieger-Gedächniss-Kapelle umgewidmet.  

Der Kunst- und Kirchenmaler Nikolaus Schmitt aus Nennig malte Fresken mit der Darstellung der »Taufe und Hinrichtung des Hl. Quirinus« im Altarraum. An die Rückwand mit dem Eingang der Kapelle malte er die Darstellung der »Verherrlichung der heiligen Dreifaltigkeit und kriegerisches Geschehen.«

Die Schablonen der Fresken sind bei der Gemeindeverwaltung hinterlegt. Die Seitenwände tragen die Namen der in den beiden Weltkriegen gefallenen Soldaten.

Pfarrer Dr. Leo Sudbrack, ein bekennender Quirinusverehrer, hat am 30. April 1951 mit einer feierlichen Vesper mit Aussetzung der Reliquie und Segnung des Quirinuswassers die Feierlichkeiten zum 1. Mai 1951 eingeleitet. 

1955 wurde eine neue Weinbaulage von 26 ha Rebfläche in Perl angelegt, welcher man die Lagebezeichnung »Quirinusberg«  gab und welche man unter den Schutz des Hl.  Quirinus stellte. Aus dieser Lage wird der »Quirinuswein« hergestellt.

1988 übertrug die Kirchengemeinde die Kapelle an die Zivilgemeinde Perl und erhielt im Tausch die Michaelkapelle in Oberperl.

Heute wird die Quirinuskapelle nur noch zweimal pro Jahr sakral genutzt: beim Quirinusritt am 1. Mai und bei der Ehrung der Kriegsopfer am Volkstrauertag.


Quellen: heiligenlexikon.de/Biographien; pfarreiengemeinschaft-perl.de; de.wikipedia.org; quirinus-perl.de; st-quirinus-neuss.de; rp-online.de