Saarlouis [zaːrˈlʊɪ] (französisch: Sarrelouis, deutsch veraltet: Saarlautern) ist mit rund 34.300 Einwohnern die sechstgrößte Stadt im Saarland. Die Stadt ist Verwaltungssitz des Landkreises Saarlouis und gilt als Schul- und Handelszentrum des Kreises.
Wirtschaftlicher Schwerpunkt der Stadt ist die Autoindustrie, nicht nur als Produktionsstandort von Ford, sondern auch als Standort von Zuliefererbetrieben.
Saarlouis wird oftmals (vor allem von Saarlouisern selbst!) als »heimliche Hauptstadt des Saarlandes« bezeichnet.
Gründung
Mit dem Frieden von Nimwegen im Jahre 1679 fiel Lothringen an Frankreich. Ein Jahr später, 1680, ließ der französische König Ludwig XIV. (Louis XIV) Saarlouis (ursprünglicher Name: Sarre-Louis) zum Schutz der neuen Ostgrenze errichten.
Der Baumeister Sébastien Le Prestre de Vauban entwarf die Festungsstadt symmetrisch in Sternform mit sechs Bastionen, die zur Aufstellung von Kanonen dienen. Die Pläne hierzu stammten von Thomas de Choisy.
Ein wichtiges Element der Verteidigungsanlagen ist die pont-écluse (Schleusenbrücke). Durch sie konnte im Verteidigungsfall nach dem Prinzip einer Inundationsfestung (Überschwemmungsfestung) die durch die Stadt fließende Saar mittels eingelegter Balken aufgestaut werden, um so das Umland zu überfluten. Dadurch sollte es einem Belagerer erschwert werden, Kanonen an die Stadt heranzubringen und Erdwerke und Laufgräben anzulegen.
Da die Festung im freien Gelände entstand, konnte das »Königliche Sechseck« in fast reiner Form verwirklicht und damit ein hohes Maß an geometrischer Vollkommenheit erzielt werden. Selbst Vauban schwärmte:
»Fügen wir noch hinzu: Die Tore, die möglichen Ausschmückungen, die schöne Anordnung der Straßen, ihre Gradlinigkeit, die gleichen Maße der Vorderfronten der Häuser, die Schönheit der öffentlichen Bauten und des Stabsgebäudes, die Rinnsteine längs der Straßen, die plätschernden Brunnen, ein sehr schöner Platz, und besonders die gute Luft und die guten Wasserverhältnisse, das alles macht diesen Ort zu einem der schönsten und angenehmsten im Königreich. Und das um so mehr, als von Metz bis dort nichts zu sehen ist, was das Auge erfreut«.
Im Zusammenhang mit der Errichtung der Stadt entstanden im Umland einige neue Siedlungen, beispielsweise Beaumarais, Picard, Bourg-Dauphin (heute Neuforweiler) und Felsberg (Steinbrüche).
Auch die Geschichte der Dillinger Hütte ist geprägt von der Entwicklung der Festung, insbesondere von dem Bedarf an Eisenwaren während des Aufbaus.
1683 verlieh Ludwig XIV. Saarlouis bei einem Besuch das Stadtwappen mit der aufgehenden Sonne und den drei bourbonischen Lilien. Der Wappenspruch lautet: »Dissipat Atque Fovet« → Sie (die Sonne) zerstreut (die Wolken) und erwärmt (die Erde).
Festungsanlagen
Die ehemalige Festung Saarlouis bestimmt auch heute noch den sechseckigen Grundriss der Innenstadt. Neben den Bauwerken von Vauban finden sich auch noch einige Anlagen aus dem 19. Jahrhundert, die nach dem Abzug der Franzosen von den Preußen angelegt wurden.
Von 1887 bis 1889 wurde die Festung geschleift, dennoch finden sich im Norden der Innenstadt Wälle und Gräben der Festung.
Die Wälle werden heute unter dem Namen »Kasematten« von der Gastronomie genutzt, während die wassergefüllten Gräben in die städtischen Grünanlagen integriert wurden.
Über einen nördlich des Stadtgartengymnasiums befindlichen Zugang an der Holtzendorffer Straße gelangt man in den Stadtgarten, wo man auf eindrucksvolle Teile des ehemaligen Hornwerkes, »Ouvrage à Cornes«, und Reste der Festungsmauern trifft.
Dort angebrachte Gedenktafeln erinnern an Gefallene des 1. und 2. Weltkrieges. Das »Hornwerk« diente dem Schutz der Schleusenbrücke.
Folgt man dem Wegenetz erreicht man über eine Fußgängerbrücke die »Vaubaninsel«, früher auch »der Halwe Mond« genannt. Diese Anlage wurde 1689 als »Contregarde de l'écluse« ebenfalls zum Schutz der Schleusenbrücke errichtet.
Die Preußen nannten das Werk 1821 »Contregarde Vauban« nach dem Erbauer der Festung Saarlouis. Auf der »Contregarde Vauban« stehen die Standbilder des »Marschall Ney« und des »Soldaten Lacroix«. Sie wurden 1946 bzw. 1973 errichtet.
Von der »Vaubaninsel« schaut man hinüber auf die noch gut erhaltene »Bastion VI«. Sie trug die Bezeichnung »Bastion de Vaudrevange«, seit 1821 »Bastion Prinz Albrecht«.
Von der darauf befindlichen Plattform aus genießt man einen eindrucksvollen Rundblick in die Umgebung. Der Zugang befindet sich am Anton-Merziger-Ring, rechts und links des in den Gewölben der Bastion stilvoll gestalteten Lokals.
Im Innenstadtbereich befinden sich eine Reihe von ehemaligen Kasernen, die heute unter anderem als Museum und Einkaufszentrum genutzt werden. Die sogenannte Vauban-Kaserne von 1680 ist die älteste ihrer Art.
Die ebenfalls von Vauban erbaute und im Elsass gelegene Festungsstadt Neuf-Brisach (Neubreisach) weist in Konstruktion und Lage hohe Ähnlichkeiten mit Saarlouis auf und ist bis heute größtenteils in ihrem Originalzustand erhalten.
Zwischen Lothringen, Frankreich und Preußen
Im Zuge der Französischen Revolution erfolgte die Umbenennung der Stadt in »Sarre-Libre«, was 1810 wieder rückgängig gemacht wurde.
Im »Frieden von Rijswijk« verlor Frankreich 1697 fast alle reunierten Gebiete, konnte aber die Festung Saarlouis mit den Dörfern Wallerfangen, Beaumarais, Roden, Fraulautern, Ensdorf und Lisdorf behaupten.
Lothringen erlangte seine Souveränität zurück. So wurde die Stadt mit ihrer Bannmeile zu einer französischen Exklave in lothringischem Gebiet.
Die wohlhabende Oberschicht wanderte ab und die Bürger klagten in ihren Privilegiendenkschriften über den Frieden, »der Saarlouis Arme und Beine abschlug«.
In der Folgezeit wurden die Privilegien immer stärker beschnitten, und die Bürger hatten unter immer größer werdenden Steuerlasten zu leiden. Dieses Klima allgemeiner Enttäuschung und Unzufriedenheit bot dem Gedankengut der Französischen Revolution einen fruchtbaren Nährboden.
Adolphe de Lasalle, 1762 in Saarlouis geboren und Richter am dortigen Präsidialgericht, vertrat als Abgeordneter des 3. Standes den Bezirk Metz in der 1789 gebildeten Nationalversammlung.
Ab 1791 bestimmte der Jakobinerclub die politische Szene, und bald zählte »Sarre Libre«, wie die Stadt seit 1793 hieß, zu den radikalsten Städten Frankreichs.
Auf dem Großen Markt vollzog 1794 eine fahrbare Guillotine sogar zwei Hinrichtungen. Während der Herrschaft Napoleons wurden aus den zornigen Revolutionären glühende Anhänger des Kaisers. Über 200 Offiziere stellte Saarlouis in der Grande Armée, unter ihnen Marschall Ney, den Napoleon selbst »le brave des braves« nannte - »den Tapfersten der Tapferen«.
Im Frieden von Paris musste Frankreich 1815 seine Gebiete an der Saar – darunter auch Saarlouis – an Preußen abtreten.
Aus dieser Zeit stammt auch die Geschichte vom Soldaten Lacroix. Zwischen den Parteien wurde vereinbart, dass die Festung Saarlouis zum 1. Dezember von den Franzosen zu räumen sei. Das geschah auch vertragsgemäß.
Doch als die Preußen die Festungsanlagen inspizierten, fanden sie noch einen einzelnen französischen Soldaten, der auf seinem Posten Wache hielt und von seinen Vorgesetzten vergessen worden war.
Eine andere Legende um den Soldaten Lacroix berichtet es ein wenig anders:
Lacroix soll schon am Vorabend mit einheimischen Freunden ein ausgiebiges Abschiedsgelage gehalten, den Abzug seiner Einheit am nächsten Tage schlicht verschlafen, und sodann beim Eintreffen der feindlichen Besatzer noch hastig den Ahnungslosen gemimt haben.
Die Preußen waren jedenfalls von der Standhaftigkeit des Soldaten derart beeindruckt, dass sie Lacroix nach einer kurzen Vernehmung mit Proviant und Tabak für seine Pfeife versahen und ihn seinen abgezogenen Kameraden nach Frankreich hinterher schickten.
Die Preußen bauten die von den Franzosen errichteten Festungswerke weiter aus und legten unter anderem die oben erwähnten Kasematten an.
Ende des 19. Jhdt. wurde die Enge der Festung, die keine Stadterweiterung zuließ, noch keineswegs als bedrückend empfunden. Erst in der Mitte des 19. Jahrhunderts, als der allgemeine industrielle Aufschwung einsetzte, erwies sich der Festungsgürtel als eine schwerwiegende Beeinträchtigung.
Die Saartalbahn führte in einem weiten Bogen um die Festung und leitete wichtige Käuferströme in andere Zentren. Auch die Schwerindustrie wählte andere Standorte.
Erst im Jahre 1887 begann man, die Festungsmauern zu schleifen und die Gräben zuzuschütten. Schnell bildeten sich um den ursprünglichen Stadtkern herum neue Stadtviertel, in denen sich der Bevölkerungswohlstand in monumentalen, historisierenden Bauformen äußerte.
Man versuchte, die Standortnachteile durch ein dichtes Kleinbahnnetz zu beseitigen, das zwar eine spürbare Verkehrsverbesserung brachte, aber den wirtschaftlichen Entwicklungsrückstand nicht ganz ausgleichen konnte.
Bemühungen zur Ansiedlung von Großindustrie blieben lange Zeit ohne Erfolg. Jedoch gelang es der Stadt, ihre Bedeutung als Verwaltungs- und Einkaufszentrum zu festigen. Die positive Entwicklung setzte sich mit der vertraglichen Eingemeindung des bis dahin eigenständige Roden nach Saarlouis am 1. Oktober 1907 fort.
1918 (am Ende des Ersten Weltkriegs, bzw. kurz danach) wurde Saarlouis von Frankreich besetzt. Das Saargebiet kam unter die Verwaltung des Völkerbundes und wurde ins französische Zollgebiet eingegliedert.
Nach der Volksabstimmung vom 13. Januar 1935 wurde das Saargebiet zum 1. März 1935 wieder Teil des Deutschen Reichs. Zwischen der Machtergreifung der Nationalsozialisten 1933 im Deutschen Reich und der Volksabstimmung 1935 wurden Saarlouis und Umland zum wichtigen Drehpunkt für das Einschleusen antirassistischer Propaganda ins Deutsche Reich.
Saarlouis wurde 1936 im Zuge von großen Eingemeindungen mit dem heutigen Stadtteil Fraulautern (ehemaliges Kloster »Lautern«) zusammengeschlossen und in »Saarlautern« umbenannt.
Im Deutschen Reich wurden nach der Ruhrbesetzung 1923 und ab 1933 (NS-Zeit) zahlreiche – speziell französische – Begriffe eingedeutscht.
Der Wegfall des Namensteils »Louis« wurde möglicherweise im Zuge der Germanisierungsbemühungen der Nationalsozialisten wohlwollend betrachtet; dies ist nicht durch Primärquellen schriftlich dokumentiert, sondern ist eine Hypothese, die durch mehrere indirekte Aussagen gestützt wird.
Eine erste Erwähnung des Namens »Saarlautern« erfolgte durch Adolf Hitler auf Wahlkampfkundgebungen 1935, die jedoch eher einen provozierenden Charakter innehatten, da man den französischen Namensbestandteil »Louis« wegfallen ließ.
Nachvollziehbar durch vorhandene Dokumente, wie z. B. lokale Festzeitschriften, ist die Kontraktion der keltischen Namensbestandteile von »Saar« und »Lautern«.
Nach der amtlichen Gemeindestatistik des Deutschen Reichs wurde der Name »Saarlautern« am 13. Januar 1936, dem ersten Jahrestag der Volksabstimmung, eingeführt; die Eingemeindung Fraulauterns erfolgte am 1. April 1936.
1938 wurden in den Stadtteilen Fraulautern und Roden Teile des Westwalls gebaut. Auf der französischen Seite war zuvor die »Maginot-Linie« gebaut worden.
Nach dem Kriegsausbruch (1. September 1939) wurde die Stadt, die in der ›Roten Zone‹ lag, evakuiert.
Man fürchtete Angriffe Frankreichs, das wegen des Bündnisses mit Polen nach dem Überfall auf Polen dem Deutschen Reich am 3. September 1939 den Krieg erklärt hatte.
Es kam aber zum sogenannten Sitzkrieg. Auf diesen folgte ab dem 10. Mai 1940 der Westfeldzug. Dieser endete nach wenigen Wochen mit einem beispiellosen Sieg der Wehrmacht. Der Waffenstillstand von Compiègne am 22. Juni 1940 war de facto eine Kapitulation Frankreichs. Die Stadt grenzte seitdem an von Deutschland besetztes Territorium.
Der Zweite Weltkrieg hinterließ deutliche Spuren in Saarlouis. Bereits 1942 verwechselte die Royal Air Force (RAF) bei einem ihrer nächtlichen Luftangriffe auf Großstädte des Deutschen Reichs Saarlouis mit Saarbrücken. Die Stadt erlitt starke Schäden. Bei dem Angriff verwendete die RAF erstmals Markierungsbomben.
Im Herbst 1944 wurde die Stadt von Hitler zur »Zitadelle Saarlautern« erklärt.
Beim Näherrücken der Front wurde Saarlouis zum zweiten Mal evakuiert. Zwischen Dezember 1944 und März 1945 gab es zahlreiche Gefechte zwischen Deutschen und Amerikanern, bei der die Kontrolle der Stadt mehrfach wechselte.
Artilleriebeschuss zerstörte große Teile der historischen Innenstadt, der Häuserkampf tat sein Übriges. Luftangriffe trafen vor allem Fraulautern sowie Flächen in der Nähe der Bahnanlagen von Roden.
Im Zuge der »Operation Undertone« (eine Operation der 7. US-Armee und der 1. Französischen Armee vom 15. bis zum 24. März 1945) gewannen die Alliierten endgültig die Oberhand.
Zuvor hatte noch das »Unternehmen Nordwind« vom 31. Dezember 1944 bis 25. Januar 1945 im Elsass und in Lothringen die militärische Lage um Saarlouis beeinflusst (es war die letzte Offensive deutscher Streitkräfte an der Westfront; sie stand in Zusammenhängen mit der Ardennenoffensive).
Nachkriegszeit
Nach der endgültigen Eroberung durch die Amerikaner wurde das Saargebiet durch Frankreich besetzt, das anfänglich auch eine Annexion anstrebte.
Als einer der ersten Amtshandlungen ordnete der Regierungspräsident Dr. Neureuter am 14. Juli 1945 die Wiederherstellung des geschichtlich begründeten Namens an, dass die Stadt Saarlautern nun wieder den Namen Stadt »Saarlouis« trägt.
Saarstaat
Die Regierung des separatistisch eingestellten Ministerpräsidenten Johannes Hoffmann (CVP) bildete schrittweise eine weitreichende Autonomie unter Anlehnung an Frankreich und mit dem Ziel einer Europäisierung heraus. 1947 erhielt das Saarland eine eigene Verfassung, 1950 wurde der Besatzungszustand aufgehoben, und ab 1953 bestand faktisch ein unabhängiger Staat.
Volksabstimmung zum Saarstatut 1955
Am 23. Oktober 1954 war zwischen dem deutschen Bundeskanzler Konrad Adenauer und dem französischen Ministerpräsidenten Pierre Mendès-France das Abkommen zwischen den Regierungen der Bundesrepublik Deutschland und der Französischen Republik über das Statut der Saar ausgehandelt worden.
Bis zum Abschluss eines Friedensvertrages mit Deutschland sah das Abkommen die Unterstellung des Saarlandes unter einen Kommissar der Westeuropäischen Union vor. Dieser sollte das Land nach außen vertreten. Die saarländische Regierung sollte jedoch weiter für die inneren Angelegenheiten zuständig und die wirtschaftliche Anbindung an Frankreich erhalten bleiben. Allerdings war auch eine engere wirtschaftliche Vernetzung mit der Bundesrepublik vorgesehen.
Bei der Volksabstimmung zum Abkommen am 23. Oktober 1955 über das europäisches Statut des Saarlandes stimmte Saarlouis folgendermaßen ab:
8.113 Wahlberechtigte stimmten mit »Ja«; 12.767 Wahlberechtigte stimmten mit »Nein«. (Der saarländische Landesdurchschnitt der »Nein-Sager« lag bei 67,7 %.)
Durch die darauf folgenden Verhandlungen und den Luxemburger Vertrag vom 27. Oktober 1956, in dem Frankreich der Rückgliederung des Saarlandes unter westdeutsche Hoheit zustimmte, wurde die Stadt Saarlouis zum 1. Januar 1957 politisch und am 6. Juli 1959 (»Tag X«) wirtschaftlich der Bundesrepublik Deutschland angeschlossen.